Kampfsport oder Selbstverteidigung?

Dieser Beitrag verfolgt nicht die Absicht, Kampfsportsarten schlecht darzustellen, sondern will objektiv ohne jegliche Vorurteile den Unterschied zwischen Kampfsportarten und Selbstverteidigungsstilen darlegen.

Die Akademie für Selbstverteidigung Ludwigsburg steht in engem freundschaftlichen Kontakt zu verschiedenen Kampfsportschulen und deren Lehrern. Wir sehen uns als eine große Familie mit verschiedenen Schwerpunkten.

Vergleicht man Kampfsport mit Selbstverteidigung, so ergeben sich wesentliche Unterschiede in Aufbau und Zielsetzung.

Hier die wesentlichen Unterscheidungskriterien:

Kampfsport - Versportlichung durch Wettkampf

Kampfsport verfolgt den Einsatz der Technik für den sportlichen Wettstreit. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit sportliche Leistungen objektiver und messbar zu machen. Aus diesen Gründen versucht man faire und gleiche Ausgangsbedingungen zu erzeugen. Dies macht sich in der Einteilung in Gewichts- und Erfahrungsklassen, aber auch in der Unterscheidung der Geschlechter bemerkbar. Entsprechend sind die Schwerpunkte des Training auch ausgelegt.

Ein Wort zur Verletzungsgefahr: obwohl man versucht die Verletzungsgefahr durch weitere Regelungen einzudämmen - z.B. Schutzausrüstung (Hand-, Fuß-, Körper- und Kopfschutz), Verbot des Nachschlagens, Verbot gewisser Angriffstechniken, Einschränkung auf bestimmte Angriffsziele etc. - zeigt die Praxis ein ganz anderes Bild. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Wettkampfteilnehmer oftmals um jeden Preis triumphieren wollen. Die Erwartungshaltung, welche ihr Lehrer und zuschauende Bekannte und Freunde in ihnen erzeugen, kann so groß werden, dass der Teilnehmer bereit ist Risiken einzugehen, für welche er kampftechnisch betrachtet noch nicht reif ist. So sieht man in der Praxis, trotz Sicherheitsvorkehrungen, häufig unschöne Auftritte und teils schwere Verletzungen.

Es stellt sich uns zwangsläufig die Frage nach dem Sinn. Wenn jemand Kampfsport betreibt um körperliche Fitness herbeizuführen, seine Gesundheit zu erhalten und zugleich Unversehrtheit zu gewährleisten, sollte er sich dann einem erhöhten Risiko durch Wettkämpfe aussetzen? Wie brutal und gesundheitsschädlich solcher „Sport“ im Extremfall sein kann, sehen wir an den exzessiven Ultimate-Fights-Turnieren (cagefighting).

In der Akademie für Selbstverteidigung gibt es keine Wettkämpfe!

Das Wing Tsun - System orientiert sich bei der Heranführung des Lernenden an der Praxis, angepasst an dessen tatsächlichen Leistungs- und Könnenstand. Der Schüler soll Fortschritte machen, gefordert, jedoch nicht überfordert werden. Dazu bedarf es der Leitung und Aufsicht eines erfahrenen Lehrers, der den Schüler bis an die Leistungsgrenze bringen kann, ohne ihn jedoch zu verletzen. 

Kampfsport, Wing Tsun & Selbstverteidigung - Praxisbezug und Spezialisierung

Kampfsportarten sind vergleichbar mit Ärzten, die sich auf ein spezielles Gebiet konzentrieren. Wenn wir von Zahnschmerzen geplagt werden, so vertrauen wir uns selbstverständlich diesem darauf spezialisierten Facharzt, statt z.B. einem Allgemeinmediziner an. So ist z.B. die Domäne des Boxers die mittlere Distanz der Arme, während der Taekwondo-Sportler in der langen Distanz ausgesprochen geschickt seine Beine als Waffe einsetzt und der Ringer oder Judo-Sportler wiederum die Entscheidung am Boden sucht.

In der Praxis jedoch ist für die Selbstverteidigung ein übergreifendes Wissen und Können notwendig, da körperliche Bedrohungen in jeder der 5 möglichen Phasen bzw. Distanzen eines Kampfes stattfinden können:

1. Beindistanz („Langstreckenwaffen“)
2. In der mittleren bzw. Armdistanz
3. Nah- bzw. Ellbogen/Knie-Distanz
4. Wurfphase d.h. Distanz des Körperkontakts
5. Boden-Phase, Verteidigung am Boden

In dieser Hinsicht weisen die spezialisierten Kampfsportarten Unzulänglichkeiten auf. So hat ein Boxsportler beispielsweise Probleme, wenn er durch Fußtritte in der langen Distanz bedroht wird, da er solche Situationen im Training niemals durchgespielt hat. Eine Taekwondo trainierende Frau kann ihre Tritte im Auto oder in engen Räumen bei einem Übergriff nicht anwenden. Der Judosportler oder Ringer bekommt nicht die Möglichkeit zu greifen, da er vielleicht durch Faustschläge zuvor attackiert wird, oder bei seiner Arbeitsweise mit der Kontrolle des Gegners am Boden zu sehr beschäftigt ist, dass er sich gegen mehrere Angreifer zugleich am Boden kaum verteidigen kann.